Deine Freiheit beginnt in der Reiz-Reaktions-Lücke

Auf der einen Seite ein Mann, welcher wutentbrannt ist. Auf der anderen Seite ein gelassener Mann.

Jemand kritisiert dich.
Eine Kolleg:in, eine Mitarbeiter:in – vielleicht auch deine Partner:in.
Ein Satz. Ein Vorwurf.
Und du spürst, wie es dich trifft.
Wie ein Stich, der dich sofort in Bewegung setzt.

Noch bevor du nachdenken kannst, bist du mitten drin:
Du rechtfertigst dich.
Oder gehst in den Gegenangriff.
Vielleicht erinnerst du an alte Situationen, in denen die andere Person im Unrecht war.
Du merkst, wie Emotionen dich überrollen – und gleichzeitig spürst du, dass diese Reaktion gar nicht zu dir passt.
Dass du dich in diesem Moment selbst verlierst.
Und doch – du kannst nicht mehr zurück.
Du bist schon gefangen in diesem Kreislauf aus Angriff, Verteidigung und Schuld.

Kommt dir das bekannt vor?

Hast du dich schon einmal dabei ertappt, wie du reagierst – obwohl du es gar nicht wolltest?
Wie du innerlich denkst: „Warum tue ich das gerade?“ – und trotzdem weitermachst?
Diese Momente fühlen sich oft ohnmächtig an. Und doch tragen sie eine leise Einladung in sich – die Einladung, die Reiz-Reaktions-Lücke bewusst wahrzunehmen.

Eine Lücke kann eine Hilfe sein

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und Freiheit.“

— Viktor Frankl

Viktor Frankl war ein österreichischer Neurologe und Psychiater. Er entwickelte seine psychotherapeutische Theorie vor allem nach seinen Erfahrungen in den Konzentrationslagern des Zweiten Weltkriegs. In seinem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ beschreibt er eindrücklich, dass selbst unter den extremsten Bedingungen eine innere Freiheit bleibt: die Freiheit, eine Haltung zu wählen.

Diese Reiz-Reaktions-Lücke – dieser Raum zwischen dem, was dich trifft, und dem, wie du reagierst – ist vielleicht der kraftvollste Ort in deinem Inneren. In diesem Raum liegt deine Freiheit. Die Freiheit, bewusst zu entscheiden, wie du antworten willst, statt automatisch zu reagieren.

Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn dich etwas reizt – ein bestimmter Tonfall, ein Blick, ein Satz. Und plötzlich läuft ein inneres Programm ab, das du gar nicht bewusst gestartet hast. Diese Muster haben oft mit alten Erfahrungen zu tun, mit inneren Überzeugungen oder einem tiefen Bedürfnis nach Anerkennung.

Doch genau hier beginnt Veränderung:
In dem Moment, in dem du dir erlaubst, kurz innezuhalten.

In der Reiz-Reaktions-Lücke entsteht Raum für Bewusstsein, für Selbstreflexion und Achtsamkeit im Alltag. Und genau dieses Bewusstsein schafft Wahlmöglichkeiten – ein erster Schritt zu emotionaler Intelligenz und innerer Freiheit.

Darstellung Reiz-Reaktions-Lücke

Systemische Fragen, die du dir stellen kannst:

  • Was löst dieser Moment wirklich in mir aus?
  • Was versuche ich, durch meine Reaktion zu schützen oder zu verteidigen?
  • Was würde geschehen, wenn ich einfach nur kurz atme – ohne sofort zu antworten?

Wie du die Reiz-Reaktions-Lücke trainieren kannst

Du kannst diesen inneren Raum Schritt für Schritt stärken – wie einen Muskel, der mit der Zeit wächst. Hier ein paar Ideen dazu, wie das funktionieren kann:

  • Achtsamkeit im Alltag.
    Atme bewusst ein und aus, bevor du reagierst. Manchmal reicht schon ein Atemzug, um den Autopiloten zu stoppen.
  • Wahrnehmen statt bewerten.
    Spüre, welche Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen ein Reiz bei dir auslöst.
    Was genau passiert in dir, bevor du reagierst?
  • Pausen einbauen.
    Nimm dir eine Pause heraus, indem du innerlich bis zehn zählst, kurz den Raum verlässt oder dich entscheidest, eine Nacht darüber zu schlafen.
    Sag dir innerlich: „Ich darf mir Zeit lassen.“
    Manchmal ist „Ich melde mich später dazu“ der mutigste Satz, den du sagen kannst.
  • Reflexion am Abend.
    Ermögliche es dir, dich selbst besser kennenzulernen:
    • Wo habe ich heute automatisch reagiert?
    • Wo hätte ich mir mehr Zeit zum Atmen gewünscht?

Ein Journaling-Ritual kann dich dabei unterstützen, diese kleinen Lücken bewusster wahrzunehmen und wachsen zu lassen. Beim Schreiben können wir den Fokus auf die gestellten Fragen besser halten und nachhaltiger reflektieren. Zum Thema Journaling gibt es auch schon einen ausführlichen Blogartikel.

Diese Übungen fördern deine emotionale Intelligenz und helfen dir, in stressigen Momenten bewusst präsent zu bleiben – eine Fähigkeit, die einerseits im Coaching für Führungskräfte, aber auch in allen anderen Bereichen und Rollen von zentraler Bedeutung ist.

Auf der einen Seite ein Mann, welcher wutentbrannt ist. Auf der anderen Seite ein gelassener Mann.

Wie ich im Coaching mit dieser Lücke arbeite

In meinen Coachings erlebe ich immer wieder, wie kraftvoll es ist, diesen Raum bewusst zu betreten.

Führungskräfte lernen, impulsive Reaktionsmuster zu erkennen – gerade in herausfordernden Situationen, in denen sie sonst automatisch handeln würden.

Teams erleben, dass Konflikte an Tiefe und Qualität gewinnen, wenn sie innehalten, bevor sie antworten.

Viele meiner Coachees – ob Führungskraft oder nicht – entdecken in dieser Arbeit ihre ganz eigene Art, mit Emotionen, Erwartungen und Stress umzugehen. Sie beginnen, bewusster zu wählen, was sie sagen, wie sie handeln und was sie loslassen dürfen. Weiters entdecken sie ihre eigenen Strategien, sich eine Pause zwischen Reiz und Reaktion zu gönnen.

Diese Form von Selbstführung fühlt sich oft an wie: endlich wieder bei sich selbst ankommen.

Vielleicht magst du dir diese Fragen stellen:

  • Wo in meinem Alltag reagiere ich schnell?
  • Was würde entstehen, wenn ich mir erlaube, kurz innezuhalten?
  • Welche Freiheit könnte darin liegen, mir selbst diese Pause zu schenken?

Eine Einladung für dich

Die Reiz-Reaktions-Lücke ist kein abstraktes Konzept – sie ist eine Einladung, bewusster zu leben. Sie erinnert dich daran, dass du auch dann eine Wahl hast, wenn sich alles in dir nach Automatismus anfühlt.

Wenn du spürst, dass du dich in diesen Situationen wiedererkennst – und dass du dir wünschst, diese Lücke für dich zu erweitern, dann darfst du wissen:

Du musst das nicht allein herausfinden.

Im Coaching begleite ich dich in einer fragenden, achtsamen Haltung – ohne Bewertungen, ohne vorgefertigte Lösungen. Ich halte dir den Raum, in dem du deine eigene Art findest, mit Reizen, Emotionen und Entscheidungen umzugehen.

Warum „immer stark sein“ zu innerer Erschöpfung führt

Es ist Montagmorgen.
Der Wecker klingelt viel zu früh.
Du bist noch müde, aber dein Kopf rattert sofort los: Frühstück für die Kinder, später noch der Elternabend und dazwischen in der Arbeit das Meeting, bei dem du unbedingt perfekt vorbereitet sein möchtest.
Du atmest tief durch, ziehst dich an, setzt dein Lächeln auf und startest in den Tag.

Nach außen wirkt es, als hättest du alles im Griff.
Als wärst du ein Mensch, den man um alles bitten kann.
Du bist immer zuverlässig, kompetent und stark.
In deinem Umfeld sehen dich viele als Fels in der Brandung.

Und irgendwie bist du das alles auch – nur in deinem Inneren fühlt es sich längst anders an: nach emotionaler Überlastung.

Außen stark – innerlich erschöpft

Vielleicht erkennst du dich darin wieder:

  • Du hältst alles am Laufen.
  • Du wirst für deine Stärken beruflich und privat sehr geschätzt.
  • Alle verlassen sich auf dich.

Doch wenn du abends ins Bett fällst, spürst du, dass deine Kraft längst nicht mehr dieselbe ist. Da ist diese innere Müdigkeit, die nicht verschwindet – egal, wie sehr du dich anstrengst. Oft fällt es dir auch schwer einzuschlafen, weil sich das Gedankenkarussell um all deine Aufgaben so schnell dreht.

Viele, die stark wirken, tragen diese Müdigkeit in sich.

Du fragst dich vielleicht:
Wie lange halte ich das noch durch?
Und wo bleibe ich dabei eigentlich selbst?

Der unsichtbare Preis der Stärke

„Immer stark sein“ klingt nach Bewunderung und Anerkennung – und doch hat das Ganze auch eine belastende Seite für dich.

Denn hinter dieser Stärke stecken oft:

  • das Bedürfnis, niemanden zu enttäuschen,
  • die Angst, Schwäche zu zeigen,
  • die Überzeugung, alles allein schaffen zu müssen,
  • das Gefühl, perfekt funktionieren zu müssen, und/oder
  • der Glaube, dass du nur noch ein bisschen mehr leisten musst, dann passt wieder alles wie früher.

Diese Muster haben dich weit gebracht – und dafür darfst du ihnen auch danken.
Doch heute kosten sie dich mehr Energie als früher und führen zur inneren Erschöpfung.

Ein systemischer Blick: Wo verlierst du deine Energie?

Im systemischen Coaching schauen wir nicht nur auf dich, sondern auch auf die Systeme, in denen du dich bewegst – inklusive der Beziehungen und Dynamiken darin.
Auch Glaubenssätze, Erwartungen und alte Muster kommen in den Blick.

Vielleicht helfen dir diese Fragen, eine erste Bewegung in dein Denken zu bringen:

  • Wenn deine Erschöpfung eine Stimme hätte – was würde sie dir sagen wollen?
  • Wessen Erwartungen erfüllst du eigentlich, wenn du immer stark bist – deine eigenen oder die der anderen?
  • Welche Situationen laugen dich aus?
  • Wo sagst du Ja, obwohl dein Inneres Nein schreit?
  • Was würde dein Leben leichter machen, wenn du dir erlaubst, nur ein kleines Stück Verantwortung abzugeben?

Du musst nicht alles alleine tragen

Viele, die nach außen stark wirken und ihre innere Erschöpfung erkennen, haben sich den Glaubenssatz angeeignet:
„Ich darf keine Schwäche zeigen.“

Doch die Wahrheit ist:
Du bist nicht schwach, wenn du dir Unterstützung erlaubst – du bist mutig.
Du übernimmst Verantwortung für dich selbst und deine mentale Gesundheit.

Stärke bedeutet nicht, immer alles allein zu tragen.
Stärke bedeutet, sich selbst nicht zu vergessen – sie zeigt sich in Selbstfürsorge.

Vielleicht wundert es dich…

… dass du in diesem Artikel keine Tipps und Tricks bekommst, wie du diesen Zustand schnell auflösen kannst. Keine allgemeingültige Lösung in die Hand gedrückt bekommst.
Das liegt daran, dass es die im systemischen Coaching nicht gibt.

Denn erstens trägst du deine Antworten bereits in dir.
Und zweitens bist du die Expert:in für dein Anliegen.

Als Coachin stelle ich dir einen sicheren Raum zur Verfügung und begleite dich mit einer fragenden Haltung. So bekommst du die Möglichkeit, deine eigene passende Lösung und individuelle Strategien zu finden.

Ganz wichtig:
Du brauchst nicht gleich dein ganzes Leben umkrempeln – manchmal reicht ein erster kleiner Schritt.

Was mir wichtig ist

Mir ist es ein Anliegen, in meinen Artikeln Impulse zum Nachdenken sowie Möglichkeiten zur Reflexion oder zum Perspektivenwechsel anzubieten.
Manchmal teile ich auch eigene Learnings – wenn es zum Thema passt.

Doch Ratschläge wirst du hier nicht finden.

Ich wünsche mir, dass du dich in meinen Texten wiedererkennst und vielleicht eine Idee für deinen nächsten Schritt daraus mitnimmst.

Und wenn es der Fall ist, dass du dich hier selbst wieder erkannt hast, dann darfst du wissen:

Du bist damit nicht allein.

Viele Menschen, die nach außen stark wirken, spüren genau diese innere Erschöpfung.
Und manchmal beginnt Veränderung nicht mit einem großen Schritt – sondern mit der Entscheidung, dir Unterstützung zu erlauben.

Wenn du spürst, dass du nicht mehr alles alleine tragen möchtest, begleite ich dich gerne dabei, wieder bei dir selbst anzukommen – und deine eigenen Antworten zu finden.